Nasa leiht sich Sowjet-Jet für acht Millionen Dollar

Von ULRICH BLUMENSCHEIN
Washington - Das als Konkurrenz zur französisch-britischen Concorde gedachte amerikanische Überschall-Verkehrsflugzeug Boeing 2707 wurde nie gebaut. Das ehrgeizige SST-Projekt (Super Sonic Transport) wurde 1971 eingestellt, nachdem der US-Senat die Fördermittel gestrichen hatte.

Jetzt erhalten die Überschallspezialisten der Nasa zum ersten Mal einen Überschalljet, mit dem sie ihre 25 Jahre alten Theorien wenigstens teilweise überprüfen können: Für acht Millionen Dollar borgt die Nasa eine ex-sowjetische Tupolew Tu-144-Überschallmaschine, die seit gut 20 Jahren in der Nähe von Moskau parkt. Es handelt sich um eine der letzten einst für die Aeroflot gebauten Tu 144, die zwischen Moskau und Alma-Ata gerade mal 87 Flugstunden absolviert hat. Den Sowjets war damals die Überschallfliegerei zu teuer geworden, auch hatten sie nach dem spektakulären Absturz einer Tu 144 vor den Augen der Welt beim Pariser Aérosalon das Vertrauen in ihre Überschalltechnik verloren.

Zur Zeit wird die fast neuwertige Tu 144 im Tupolew-Testzentrum bei Moskau für die Versuchsflüge hergerichtet. Russische Techniker bauen dabei unter amerikanischer Aufsicht Meßgeräte und Testeinrichtungen ein. Außerdem werden die Originaltriebwerke durch Düsen des moderneren Typs Samara/Trud NK-321 ersetzt, für die es, weil sie auch den Bomber Blackjack antreiben, genügend Ersatzteile gibt. Zwischen Februar und November 1996 plant die Nasa - unterstützt von den Firmen Boeing, Rockwell, McDonnell Douglas, General Electric and Pratt & Whitney - 35 Testflüge entlang eines für Überschallflug freigegebenen Korridors über Rußland. Man erhofft sich Erkenntnisse für die Entwicklung eines neuen Überschalljets, von dem die Amerikaner neuerdings wieder träumen.

© DIE WELT, 12.8.1995

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